Wahlplakat-Dschungel in Thüringen: Hilfreich oder Hindernis?

Kaum eine Laterne, keine Litfaßsäule, keine Kreuzung bleibt derzeit verschont: Thüringen gleicht einem Plakate-Dschungel. Seit einiger Zeit dürfen die Parteien ihre Wahlplakate zur Bundestagswahl am 26. September aufhängen und tun dies auch an jeder sich bietenden Möglichkeit.
Aber was bringen diese Plakate überhaupt? Können sie uns unbewusst zu einem Kreuzchen in der Wahlkabine überreden? Und welche Plakate sind dieses Jahr besonders gelungen? LandesWelle Thüringen hat bei Kommunikationswissenschaftler Professor Doktor Marcus Maurer von der Universität Mainz nachgefragt.

Wichtigste Funktion von Wahlplakaten: Aufmerksamkeit

Kurz an der Ampel oder beim Vorbeilaufen in der Stadt: Überall begegnen wir derzeit wieder Wahlplakaten. Dass es dabei nicht darum geht, unser Wahlverhalten entscheidend zu beeinflussen, verrät Professor Doktor Marcus Maurer von der Universität Mainz im LandesWelle Thüringen-Interview: „Hier geht’s drum zu zeigen, dass der Wahlkampf losgeht. Wenn die Plakate hängen, wissen die Wähler, dass sie sich mal wieder mit Politik beschäftigen müssen.“ Die Parteien stellen sich und ihre Kandidaten kurz vor, um sich ins Gedächtnis des potenziellen Wählers zu bringen. Möglicherweise schaffen die Parteien es, zusätzlich noch positive Emotionen zu wecken, indem sie ein bestimmtes Bild einbauen, das die möglichen Wähler mit der Partei verbinden.

„Es wäre schlimm, wenn man mit einem einfachen Plakat jetzt schon dutzende Wähler auf seine Seite ziehen kann. Da muss man sich schon ein bisschen mehr anstrengen.“ (Prof. Dr. Marcus Maurer)

Die Verarbeitung beim Anschauen der Plakate läuft beim Betrachter selektiv ab, erklärt Prof. Dr. Maurer: „Wir sehen relativ wenig und nehmen das alles nur sehr oberflächlich wahr, was auf diesen Plakaten ist. Deshalb kommt es sehr auf die Bilder an und weniger auf die Texte.“

Personenbezogene vs. themenbezogene Plakate

Die SPD setzt auf ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, die FDP auf ihren Parteichef Christian Lindner – im Gegensatz dazu positionieren sich Die LINKE oder die AfD hauptsächlich mit Inhalten: Wahlplakate lassen sich demnach in personen- und themenbezogen einteilen.
Dass Inhalte aber überflüssig sind, hält Marcus Maurer für falsch: „Die sind nicht unnötig. Man muss schon irgendeinen Text liefern. Der Text darf bloß nicht zu konkret sein. Man könnte auch sagen: Man bleibt bewusst sehr vage und formuliert Sätze, denen im Grunde jeder zustimmen kann. […] Zum Beispiel ‚Friede, Freiheit, Gerechtigkeit, Fairness‘, das macht sich immer gut, da ist jeder dafür. Und das lässt sich im Vorbeigehen schnell noch lesen.“

Bild als Blickfänger

Wenn wir an den großen und kleinen Wahlplakaten vorbeilaufen, nehmen wir als erstes das wahr, das am größten ist. Der Blickfänger ist deshalb meist das Bild und dieses Bild „[…] lässt sich meist relativ einfach verarbeiten. Das heißt, wir verstehen die Botschaft des Bildes intuitiv. Und dann erst lesen wir den Text. Und da gibt es meist nicht viele Variationen im Text. Das ist ja meist ein allgemeiner Wert, dem man meistens zustimmt. Deswegen nehmen wir das am Schluss wahr“, so Prof. Maurer.

Zu viele Plakate an einer Laterne nicht sinnvoll

Vor allem die Laternen in den Städten in Thüringen sind derzeit von Wahlplakaten überladen. Zum Teil hängen vier bis sechs Plakate übereinander. Zu viele, um sie wirklich alle wahrzunehmen? Ja, meint Prof. Maurer: „Natürlich laufen oder fahren wir an den Plakaten vorbei und sehen sie bestenfalls aus dem Augenwinkel. […] Wir verarbeiten das alles sehr selektiv und wir sehen relativ wenig.“

Plakate beschmieren oder zerstören kann zu Haftstrafe führen

So sehr die Plakate in den Wochen vor der Wahl auch nerven, diese zu beschmieren, zu verunstalten oder gar abzureißen ist keine Alternative, sondern eine Straftat.
§  303 Absatz 1 des Strafgesetzbuches definiert das das Abreißen von Wahlplakaten als Sachbeschädigung: "Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft."
Der selbe Paragraf regelt auch das Bemalen und Beschmieren der Plakate: Auch das stellt eine Sachbeschädigung dar.

Wichtig: Sollten verfassungsfeindliche Symbole, wie beispielsweise das Hakenkreuz, auf Wahlplakate geschmiert werden, drohen sogar bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.

ADAC warnt: Wahlplakate sollen kein Verkehrshindernis darstellen

Um möglichst viele Menschen zu erreichen, werden Wahlplakate gerne an zentralen Verkehrsknotenpunkten angebracht. Besonders an Fußgängerampeln, Fahrradwegen oder vielbefahrenen Kreuzungen häufen sich die Aufsteller. Deshalb dürfen sie trotz allem keine Sichtbehinderung für Autofahrer, Fußgänger oder Radfahrer darstellen, so der ADAC auf Anfrage von LandesWelle Thüringen.
Besonders den neuen Schulkinder, die gerade erst ihren Schulweg lernen, wird mit den großen Plakaten oft die Sicht versperrt - aber auch dem Verkehr auf die Kinder. Auch den Fußgängern und Radfahrern wird oft der Blick auf den herannahenden Verkehr eingeschränkt. 
Außerdem können klein gedruckte Texte oder aufsehenerregende Bildmotive die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer ablenken. Der ADAC bittet deshalb die Verantwortlichen darum, Wahlwerbung nur so an Kreuzungen, Einmündungen oder vor Fußgängerüberwegen aufzustellen, dass eine Gefährdung der Verkehrssicherheit ausgeschlossen ist. Außerdem sollten Kommunen und Städte Stichproben durchführen und die Verantwortlichen bei Bedarf auf falsch positionierte Plakate hinweisen und diese abnehmen lassen.

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