Wer wird unser Ministerpräsident?

Verfassungskrise? Wiederwahl? Ein völlig anderer Ausgang? Dieser Mittwoch wird in Thüringen ein Tag der Entscheidung – und hoffentlich das Ende eines monatelangen Regierungspokers. Denn am 05. Februar 2020 soll im Landtag ein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Als Kandidat stellt sich nicht nur der bisherige Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke), er bekommt mindestens noch Konkurrenz vom parteilosen, ehrenamtlichen Sundhäuser Bürgermeister Christoph Kindervater.  
Aber nicht nur die kurzfristigen Kandidaten stellen die Abgeordneten vor Entscheidungen – auch das Abstimmungsprozedere birgt die ein oder andere Falle.

Aktuell

Kein Kandidat holt absolute Mehrheit im ersten Wahlgang

Im ersten Wahlgang wurde Bodo Ramelow nicht gewählt. Er bekam 43 Stimmen, 46 wären nötig gewesen. Auf den AfD-Kandidaten Christoph Kindervater entfielen 25 Stimmen, 22 Abgeordnete enthielten sich. Auf Antrag der AfD Fraktion wurde nach dem ersten Wahlgang die Landtagssitzung für 30 Minuten unterbrochen. 

Auch zweiter Wahlgang ergebnislos

Auch im zweiten Wahlgang standen Bodo Ramelow (LINKE) und Christoph Kindervater (parteilos, Kandidat für AfD) zur Wahl. Keiner der Kandidaten konnte eine absolute Mehrheit auf sich vereinen. Bodo Ramelow bekam 44 Stimmen, Christoph Kindervater erhielt 22 Stimmen. 24 Abgeordnete enthielten sich. Erneut beantragte die AfD Fraktion nach der Verlesung der Ergebnisse eine Unterbrechung. Laut einem Statement von Mike Mohring (CDU) vor wenigen Minuten plant die CDU keine Aufstellung eines Kandidaten im dritten Wahlgang.

Thomas Kemmerich im dritten Wahlgang zum Ministerpräsident gewählt

Für den dritten Wahlgang gab es einen weiteren Kandidaten. Wie angekündigt hatte die FDP Fraktion ihren Vorsitzenden Thomas Kemmerich zur Wahl vorgeschlagen. Und dann die Überraschung des Tages! Thomas Kemmerich (FDP) wurde zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt. Mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP lag er im dritten Wahlgang vor dem bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (LINKE). Thomas Kemmerich (FDP) erreichte 45 Stimmen, Bodo Ramelow 44 Stimmen und Christoph Kindervater keine Stimme. Ein Abgeordneter enthielt sich.


Hintergrund

Welche Kandidaten stellen sich zur Wahl?

Der bisherige Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) steht zur Wahl. Sein Gegenkandidat ab dem ersten Wahlgang ist Christoph Kindervater. Beide Vorschläge wurden fristgerecht 48 Stunden vor der Wahl, also bis Montagvormittag 11.00 Uhr, eingereicht.
Als Kandidat der Rot-Rot-Grünen Minderheitsregierung aus Linken, SPD und Grünen steht Bodo Ramelow schon länger fest.

Christoph Kindervater (parteilos) ist der Bürgermeister von Sundhausen im Unstrut-Hainich-Kreis und brachte sich am Wochenende selbst ins Gespräch, als er sich der CDU, FDP und AfD als Bewerber anbot. Am Montag wurde Kindervater von der AfD-Fraktion offiziell nominiert. Seine Bewerbung begründete Kindervater am LandesWelle Thüringen-Interview folgendermaßen: „Es geht mir darum, dass die konservativen Kräfte endlich ihren Hinter hochkriegen. Es kann doch nicht sein, dass man Rot-Rot-Grün so einen Durchmarsch lässt. […] Ich mein, die Leute dort draußen haben CDU, FDP und auch AfD gewählt, damit sie ihren Job tun.“

Kindervater hatte zunächst angegeben bei der Ministerpräsidentenwahl am Mittwoch nicht persönlich anwesend sein zu können, weil er sich auf einer Dienstreise in Hessen befindet. Am Dienstag teilte er jedoch mit, die Fahrt verschoben zu haben und doch im Landtag anwesend sein zu können.

Weitere Kandidaten sind in den folgenden Wahlgängen möglich

Bereits im zweiten Wahlgang könnten sich bereits andere Kandidaten zu Ramelow und Kindervater gesellen. Die Fraktionen können nach einem gescheiterten ersten Durchgang weitere Bewerber vorschlagen. Dafür müsste allerdings Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) einer Fristverkürzung (ursprünglich liegt das Fristende bei 48 Stunden vor Beginn der Wahl) zustimmen.
Die Thüringer Verfassung schreibt aber auch für diesen Wahlgang eine absolute Mehrheit für die erfolgreiche Wahl zum Ministerpräsidenten vor.

Die FDP planen deshalb erst im dritten Wahlgang, wenn eine relative Mehrheit ausreicht, einen Kandidaten zu stellen. Die Freien Demokraten beschlossen am Montagabend, ihren Thüringer Parteichef Thomas L. Kemmerich im dritten Wahlgang ins Rennen schicken zu wollen, falls die AfD ebenfalls einen Kandidaten stellt.
„Es kann nicht das Angebot an die Thüringer Bevölkerung sein, dass es nur – in unseren Augen – Kandidaten aus der linken und rechten Randsituation der Parteienlandschaft gibt. […] Insofern wollen wir ein demokratisches Angebot aus der Mitte formulieren […]“, so Kemmerich.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Albert Weiler brachte sich ebenfalls als Bewerber selbst ins Spiel. Er müsste jedoch auch kurzfristig von seiner Fraktion vorgeschlagen werden. Thüringens CDU-Chef Mike Mohring hat den Vorschlag Weilers jedoch bereits zurückgewiesen. Die Wahl Weilers ist damit entsprechend unwahrscheinlich.

Wie läuft die Wahl zum Ministerpräsidenten ab?

Um 11:00 Uhr am 05. Februar 2020 beginnt die Sitzung des Thüringer Landtages. Als Tagesordnungspunkt 1 steht die „Wahl des Ministerpräsidenten“ auf dem Plan.
Im ersten Wahlgang stimmen die Abgeordneten über Bodo Ramelow und Christoph Kindervater ab. Damit einer von beiden in diesem Wahlgang bereits die Wahl für sich entscheidet, benötigt er die absolute Mehrheit. Das sind bei 90 Landtagsmitgliedern 46 der Stimmen. Da die Abgeordneten von Rot-Rot-Grün lediglich auf insgesamt 42 Stimmen kommen, könnte Bodo Ramelow im ersten Wahlgang nur wiedergewählt werden, wenn er vier Stimmen aus der Opposition erhält. Dies hatten CDU und FDP aber bereits abgelehnt.

AfD, CDU und FDP hätten mit insgesamt 48 Stimmen zwar die absolute Mehrheit, dass Sie sich aber geschlossen für den von der AfD aufgestellen Kandidaten Kindervater aussprechen, gilt als ebenso unwahrscheinlich.

Wie oben bereits beschrieben, ist für eine erfolgreiche Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten auch im zweiten Wahlgang eine absolute Mehrheit notwendig.
Sollte Landtagspräsidentin Birgit Keller einer Fristverkürzung zustimmen, dürften die Fraktionen bereits für den zweiten Wahlgang weitere Bewerber vorschlagen. Im Moment wurden dafür noch keine konkreten Namen genannt.

Sollte in den ersten beiden Wahlgängen kein Kandidat als Sieger mit absoluter Mehrheit hervorgegangen sein, gibt es einen dritten Wahlgang, für den die relative Mehrheit ausreicht. Dieser dritte Wahlgang wird jedoch bereits seit Wochen strittig diskutiert.

Streitfall: Dritter Wahlgang

In der Thüringer Verfassung steht:
„Kommt die Wahl auch im zweiten Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält.“ (Art. 70, Abs. 3, Verfassung des Freistaats Thüringen)
Umstritten ist, wie diese Aussage ausgelegt werden soll, sollte es nur einen Kandidaten geben. Die Frage ist, ob Ramelow dann auch gewählt wäre, wenn er mehr Nein- als Ja-Stimmen auf sich vereinen würde. Da sich die Fraktionen im Landtag nicht auf eine verbindliche Auslegung einigen könnten, könnte das Wahlprozedere möglicherweise ein Fall für das Thüringer Verfassungsgericht in Weimar werden.

Eindeutig ist die Wahl jedoch, wenn neben Ramelow – wie erwartet wird – noch mindestens ein zweiter Kandidat ins Rennen geht. In diesem Fall gewinnt der Bewerber mit den meisten Stimmen.

Was geschieht, wenn zwei Kandidaten gleich viele Stimmen haben?

Im Thüringer Landtag sitzen 90 Abgeordnete. Ein mögliches Szenario wäre demnach auch, dass zwei Bewerber jeweils 45 Stimmen auf sich vereinen. Besonders brisant wird diese Situation im dritten Wahlgang, wenn eine absolute Mehrheit nicht mehr nötig ist. Wie damit im Anschluss umgegangen wird, ist nicht abschließend geklärt. Sicher ist nur, dass keiner der beiden Kandidaten die Wahl gewonnen hat, da keiner die notwendigen „meisten“ Stimmen auf sich vereinen konnte.

Bei einem solchen Fall 2005 in Schleswig Holstein bei der Wahl zwischen Heide Simonis (SPD) und Peter Harry Carstensen (CDU) wurde die Wahl vertagt und sechs Wochen später fortgesetzt.

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