Trauerarbeit - Wie Hinterbliebenen geholfen wird

Auch einen Monat nach dem schrecklichen Unfall bei Bad Langensalza, bei dem sieben Menschen ihr Leben verloren, ist die Trauer ungebrochen groß. Während viel über die Hintergründe und den mutmaßlichen Fahrer berichtet wird, werden die Opfer und die Angehörigen oft aus dem Blick verloren. Einer, der ihnen beisteht und dafür sorgen will, dass sie nie vergessen werden, ist Philipp Bursian aus Weimar. Mit seinem Projekt „Straßenkreuze – Denn jedes ist eines zu viel“ setzt er sich seit 2015 für die Geschichten hinter den zahlreichen Kreuzen am Straßenrand für Verkehrsopfer ein.

Projekt „Straßenkreuze – Denn jedes ist eins zu viel“ ist für Angehörige da


„Das war natürlich erstmal ein Schock gewesen. Ich meine, für mich ist jeder Unfalltote einer zu viel, aber wenn man rauskriegt, dass fünf junge Menschen unter den Toten sind, der Mann eines Ehepaars und dann noch einer aus dem Fahrzeug des Unfallverursachers. Das war so schlimm. Ich hab sowas noch nie erlebt. Da macht man sich natürlich erstmal Gedanken“, beschreibt Philipp Bursian im LandesWelle Thüringen-Interview seine ersten Gedanken, nachdem er von dem tragischen Unfall auf der B 247 bei Bad Langensalza am 01. April 2023 erfahren hatte.

Seit 2015 gibt es sein Projekt „Straßenkreuze – Denn jedes ist eines zu viel“. Seitdem beschreibt er, erst auf Facebook, später auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage, die Geschichten hinter den Kreuzen, an denen wir tagtäglich vorbeifahren. Er erzählt die Lebensgeschichten der Opfer und gibt der Trauer ein Gesicht.


(Foto: http://www.projekt-strassenkreuze.de/)

Auch mit den Angehörigen der Unfallopfer vom 01. April ist er über eine Bekannte in Kontakt gekommen. Seitdem ist er für sie da: „Wir tauschen uns mehr oder weniger über WhatsApp aus. Wir schreiben nicht jeden Tag, weil die Trauer einfach so gestrickt ist, dass die Eltern sich auch nicht jeden Tag melden können. Aber wenn was ist: Mein Handy ist auf laut. Ich versuche natürlich Beistand zu geben. Aber das ist natürlich schwierig, die richtigen Worte zu finden. Es ist alles noch ganz frisch und was will man da auch groß sagen. Ich versuche einfach den Angehörigen zu zeigen, dass ich da bin.“

Gespräche mit Politikern und Planungen eines Gedenkortes


Philipp Bursian ist auch mit Politikern im Gespräch, um sich auszutauschen und Lösungswege zu finden, solche Tragödien in Zukunft zu vermeiden. Ein Treffen mit Thüringens Innenminister Georg Maier oder auch dem Landrat des Unstrut-Hainich-Kreises, Harald Zanker, sind geplant. Mit Georg Maier hat er sich bei einem gemeinsamen Fernsehtermin für eine Ausgabe von Stern TV schon gut verstanden: „Die Thematik 0,0 Promille, ich denke, das ist schon mal ein Faktor, mit dem man sowas verhindern kann. Aber wir haben noch ganz viele andere Ideen, über die wir uns unterhalten wollen. Auch was die Arbeit mit Sanitätern, Polizeibeamten oder Feuerwehrleuten betrifft. Die machen einen erstklassigen Job, werden aber auch oft allein gelassen. Dass wir auch für diese Menschen da sind. Aber natürlich auch für Angehörigen. […] Und die Thematik Unfalltod am Straßenrand wollen wir nahebringen.“

Für die Unfallstelle selbst ist etwas Besonderes geplant. Ein klein wenig hat Philipp Bursian im Interview schon verraten: „Es wird natürlich kein normaler Trauerort sein wie die Kreuze, die man jetzt immer sieht. Wir haben schon etwas Größeres geplant. Nicht nur in Form eines Kreuzes, sondern der Ort soll auch zeigen, was hier passiert ist. Dass wir das auch so gestalten, dass da ein riesengroßer Gedenkort entsteht.“ Was genau geplant ist, wird Philipp Bursian uns verraten, wenn die Planungen abgeschlossen sind.

Unterstützung für Hinterbliebene vom Thüringer Hospiz- und Palliativdienst


Die Gedenkstelle als Ort der Trauer und des Erinnerns ist ein Weg, mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen. Marcus Sternberg vom Thüringer Hospiz- und Palliativverband beschäftigt sich professionell mit der Trauerarbeit. Er sagt, wichtig sind nicht bestimmte Techniken, sondern die Haltung gegenüber den Hinterbliebenen: „Es ist immer ein Anteilnehmen und Mitfühlen, aber gewiss kein Mitleiden in dem Sinne. […] Natürlich bin ich mit meinem Herzen und mit meinem Wohlwollen und mit meiner ganzen Wertschätzung dabei.“

„Das ist das, was ich in der Begleitung mit Trauernden erlebe: Dass das eine ganz große Bedeutung hat, dass Menschen in ihrem Leid gesehen und wahrgenommen werden.“ (Marcus Sternberg über den Umgang mit Trauernden)

Marcus Sternberg will keinen Schmerz und keine Trauer vergleichen, denn Trauer ist individuell. Jeder leide anders und jeder leide unterschiedlich lang. „Grundsätzlich ist dieses sogenannte Trauerjahr bedeutsam. Dass sich im ersten Jahr nach dem Verlust sich vieles wiederholt zum ersten Mal ohne den Menschen, der gestorben ist“, erklärt Sternberg. In unserer Gesellschaft werde aber erwartet, dass Menschen frühzeitig nach einem Verlust wieder funktionieren.

Trauer vs. Trauerstörung


Wenn dies nicht geschieht, kann es sich um eine Trauerstörung handeln, die mittlerweile auch im  ICD, dem internationalen Katalog klassifizierter Krankheiten, erfasst ist. Als „anhaltende Trauerstörung“ wird darin eine länger als sechs Monate anhaltende Trauer beschrieben. Zu den Symptomen gehören Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen oder gar Suizidgedanken. Wenn die Trauer nicht weniger wird und die Menschen in ihrem Alltag einschränkt, sie zum Beispiel nicht zur Arbeit oder zur Schule gehen können, kann es möglicherweise Zeit für professionelle Hilfe sein. Besonders in Fällen, in denen Angehörige plötzlich verstorben sind, kann es zu Trauerstörungen kommen.

Dennoch sollte man nicht jede Trauer gleich pathologisieren, erklärt Marcus Sternberg: „Grundsätzlich ist Trauer keine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion auf einen bedeutsamen Verlust und beinhaltet einen Anpassungsprozess an die neue Lebenssituation.“
In Einzel- oder Gruppengesprächen versuchen Marcus Sternberg und seine Kollegen vom Thüringer Hospiz- und Palliativverband für die Trauernden da zu sein und ihnen beim Weg aus der Trauer herauszuhelfen: „Weil Trauer ein individueller Prozess ist wie das Leben selbst, gilt es auch achtsam hinzuhören, was Trauernde sagen und fühlen und sie dabei zu unterstützen, ihren eigenen Weg durch die Trauer zu finden.“

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