Keimzeit - Das Schloss

Keimzeit - Das Schloss (VÖ 01.02.2019)

Man denkt vielleicht an einen unvollendeten Roman, wenn der Titel „Das Schloss“ fällt, an die Irrungen und Verwirrungen eines Landvermessers, der von Behörden verfolgt wird, die in ihrer Machtfülle weit über den Menschen stehen. Doch das Schloss von Keimzeit, um das es hier geht, ist weit weniger einschüchternd. Es geht einerseits um ein Schloss, in das Norbert Leisegang bis zur 8. Klasse in die Schule gegangen ist und andererseits um ein Fantasie-Schloss aus Papier, um ein persönliches Zurückschauen auf die früheste Kindheit, wo das Einreißen von Konventionen hin zur kindlichen Anarchie quasi Programm ist. Die große Freiheit als Grundtenor war schon immer ein prägendes Keimzeit-Motiv und passt mehr denn je in unsere aufgeregte Populisten-Zeit. „Keimzeit – eine Band, eine Familie. Ganz normale Menschen mit einer großen Leidenschaft für die Musik. Keimzeit – eine langjährig erprobte Live Band, die sich mit Studioproduktionen ihre eigenen Herausforderungen schafft,“ schrieb Flowerpornoes Sänger Tom Liwa über die Band. Auch „Das Schloss“ ist so eine Herausforderung. Das neue Werk ist keine Neuerfindung der Band und soll es auch gar nicht sein. „Das Schloss“ schließt sich eher organisch an die letzten Werke der Gruppe an. „Auch wenn ich mal von anderen Künstlern zu Songs inspiriert werde, ist es am Ende doch immer so, dass ich die Strickart meiner Songs nicht wirklich verlasse“, reflektiert Norbert Leisegang sein Songwriting. „Herausgekommen ist ein klares Keimzeit-Album, bei dem auch meine Bandkollegen zu dem Takt, den ich vorgebe, gerne mitgehen.“ Was sich geändert hat, ist der Gesamt-Sound. Denn Keimzeit haben diesmal mit Moses Schneider zusammengearbeitet, der u. a. auch schon für Tocotronic und die Beatsteaks an den Reglern saß. Die Basics wurden in einem Studio im Flughafen Tempelhof in nur vier Tagen live aufgenommen. Dazu kamen noch zwei Tage für Overdubs, das war es auch schon. Klingt als wären Keimzeit in die 60er zeitgereist, um das Wesentliche in ihrer Musik zu suchen und schließlich zu finden. Dieser am Live-Sound von Keimzeit orientierte, erdige Gesamtklang zahlt sich in der Intensität und Atmosphäre der Lieder brutal aus. Herausgekommen sind 12 Songs, die in ihrer klanglichen und textlichen Einzigartigkeit fesseln, berühren und auch nachdenklich machen. Neben dem schon erwähnten Titelsong gibt es jede Menge weitere spannende und bisweilen autobiografische Lieder. Eins von Leisegangs Lieblingsliedern ist „Der fliegende Teppich“. Das sparsam und originell arrangierte Lied beschreibt ein höchst skurriles Streitgespräch zwischen einem Teppich und dem Boden, wer der Wichtigere sei. Am Ende reicht’s dem Teppich, und er hebt wutentbrannt ab. Eine witzige Parabel über eingefahrene, scheinbar untrennbare Beziehungen, die plötzlich und unerwartet „verfliegen“ können. Tief in die ausgebuffte Materialisten-Psyche geht der entspannt-rockige Song „Nicht“. In Zeiten von Gier und Fake News wird gemogelt und gelogen was das Zeug hält, um sich Vorteile zu verschaffen. Nach dem kurzen Jubel des Sieges bleibt aber meist ein schaler Beigeschmack. Echte Gewinner sehen anders aus – „denn du bist es nicht“.
Melancholisch und zeitlos lässt uns der psychedelisch dahinfließende Song „Seeigel“ ans Meer der Erinnerungen reisen. Der Song erzählt eine gefühlsdichte Liebesgeschichte in Form von versteinerten Seeigeln, die sich nach langer Zeit am Strand wiederfinden, in liebevollen Erinnerungen schwelgen und am Ende von einer großen Welle wieder getrennt werden. Mehr Keimzeit geht einfach nicht. Ein aus einem persönlichen Erlebnis entstandener Uptempo Song ist „Stillstand“. Norbert Leisegang erinnert sich: „Die Idee zu diesem Song ist mir während einer Zugreise gekommen. Plötzlich war da ein heftiger Sturm, und alle Passagiere mussten am nächsten Bahnhof aussteigen. Keiner wusste wie es jetzt weitergeht und ich dachte so bei mir, dass diese Naturgewalt uns alle zum Nichtstun, also zum Stillstand, verurteilt hat.“ Ein weiterer autobiografischer Titel ist „Actionkalle“. Der Titel ist aus Beobachtungen während eines Klassentreffens entstanden, bei dem einige seinerzeit eher unwillige und aufsässige ehemalige Schulfreunde jetzt hohe Positionen als Ärzte oder in der Wissenschaft erreicht hatten. „Actionkalle“ ist der definitiv rockigste Song auf „Das Schloss“ und kracht insofern wunderbar lärmend aus dem Keimzeit’schen Rahmen. Keimzeit haben mit „Das Schloss“ ein wahrlich meisterhaftes Werk geschaffen. Die Texte sind melancholisch, witzig und erfrischend anspruchsvoll. Sie führen uns auf Entdeckungstour durch Leisegangs musikalische und intellektuelle Welt. Irgendwie ist der Sänger hierbei sein eigener Schlossführer, dem man für seine Leistung am Ende nur begeistert applaudieren kann.

Keimzeit auf Tour 2019:

01.02.2019 Neumühle
02.02.2019 Neumühle
03.02.2019 Berlin
07.02.2019 Nürnberg
08.02.2019 Plauen
09.02.2019 Chemnitz
21.03.2019 Marburg
22.03.2019 Bensheim
28.03.2019 Kassel
29.03.2019 Essen
30.03.2019 Erfurt
06.04.2019 Pößneck
23.05.2019 Kaiserslautern
24.05.2019 Konstanz
15.06.2019 Weimar
07.07.2019 Marienwerder
20.07.2019 Bützow
21.07.2019 Zinnowitz
27.07.2019 Belzig
02.08.2019 Dresden
08.08.2019 Hansesail
16.08.2019 Brandenburg
18.08.2019 Magdeburg
06.09.2019 Senftenberg
26.09.2019 Rostock
27.09.2019 Husum
28.09.2019 Bremen
11.10.2019 Potsdam
12.10.2019 Wernigerode
16.10.2019 Aschaffenburg
17.10.2019 München
18.10.2019 Bamberg
19.10.2019 Torgau
08.11.2019 Zwickau
09.11.2019 Lauscha
04.12.2019 Hamburg
05.12.2019 Hannover
06.12.2019 Köln
13.12.2019 Leipzig
19.12.2019 Berlin
20.12.2019 Jena
21.12.2019 Freiberg

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